Cannabis-Legalisierung: Erste Verbände kritisieren aufkeimende Grenzwert-Debatte

Auf Initiative des ACE Auto Club Europa setzen sich die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, die Deutsche Verkehrswacht und der TÜV-Verband gemeinsam für mehr Verkehrssicherheit im Rahmen der Cannabis-Legalisierung ein. Die aktuelle Grenzwert-Debatte halten sie noch nicht für ausreichend wissenschaftlich fundiert. Die Verbände fordern daher zumindest für Fahranfängerinnen und -anfänger analog zum Umgang mit Alkohol am Steuer ein absolutes Cannabisverbot.

Der THC-Wert von 1,0 ng/ml Blutserum markiert derzeit den aktuellen Grenzwert für eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehrsrecht (StVG). In der Debatte um einen künftigen Grenzwert werden aber derzeit höhere Werte vorgeschlagen und diskutiert. So hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) am 28. März einen neuen THC-Grenzwert vorschlagen.

Das Ergebnis der vom BMDV hierzu im Dezember 2023 eingerichteten unabhängigen, interdisziplinären Arbeitsgruppe mit Experten aus den Bereichen Medizin, Recht und Verkehr sowie dem Bereich der Polizei stellte das Ministerium kurz vor Ostern und somit noch vor dem Startdatum der Cannabis-Legalisierung vom 1. April vor.

Die wissenschaftlichen Experten gaben danach folgende Empfehlungen ab:

"Im Rahmen des § 24a StVG wird ein gesetzlicher Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum vorgeschlagen. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt". Allerdings müsse dem Mischkonsum von Cannabis und Alkohol entgegengewirkt werden. Dazu solle für Cannabiskonsumenten "ein absolutes Alkoholverbot am Steuer entsprechend der Regelung des § 24c StVG gelten". Auch seien Speicheltests mit hoher Empfindlichkeit als Vorscreening zum Nachweis des aktuellen Konsums erforderlich.

Bei dem vorgeschlagenen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum handelt es sich nach Ansicht der Experten um einen konservativen Ansatz, der vom Risiko her vergleichbar mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille sei, heißt es auf der Webseite des Ministeriums.

"THC im Blutserum ist bei regelmäßigem Konsum noch mehrere Tage nach dem letzten Konsum nachweisbar. Daher soll mit dem Vorschlag eines Grenzwertes von 3,5 ng/ml THC erreicht werden, dass – anders als bei dem analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC – nur diejenigen sanktioniert werden, bei denen der Cannabiskonsum in einem gewissen zeitlichen Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeugs erfolgte und eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs möglich ist", schreibt das BMDV.

Die Auto- und Verkehrsverbände unter Federführung des ACE sehen das anders.

"Die Festlegung eines THC-Grenzwertes beruht momentan weniger auf einer ausreichend fundierten Wissensbasis, da es noch zu wenige wissenschaftliche Untersuchungen gibt", moniert Stefan Heimlich, Vorsitzender des ACE, und fügt hinzu: "Stattdessen ist sie abhängig vom politischen Willen. Dabei dürfte allen klar sein: Die Cannabislegalisierung gepaart mit einem neuen, höheren Grenzwert wird nicht zu mehr Verkehrssicherheit führen. Für uns, gibt es keinen Zweifel, dass sich das Unfallrisiko erhöhen wird."

Noch deutlicher bringt es Prof. Kurt Bodewig, Präsident der Deutschen Verkehrswacht, zur Sprache: "Kernbotschaft muss die Notwendigkeit einer strikten Trennung von Drogenkonsum und aktiver Verkehrsteilnahme sein. Nur so senken wir hier das Unfallrisiko. Wer kifft, fährt nicht!"


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Cannabis-Pflanze - seit dem 1. April 2024 ist der Anbau und Konsum in Deutschland unter bestimmten  Voraussetzungen erlaubt. Foto Credits: Pexels/ Michael-Fischer

Cannabis-Pflanze - seit dem 1. April 2024 ist der Anbau und Konsum in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Foto Credits: Pexels/ Michael-Fischer