Kommission fordert Gesetzesnovellierung des Schwangerschaftsabbruchs

Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat am 15. April 2024 ihre Empfehlungen vorgelegt.

Kommissionsmitglied Liane Wörner (Universität Konstanz) ist wissenschaftliche Koordinatorin der Arbeitsgruppe 1 (Themenbereich Schwangerschaftsabbruch) der Kommission und hat die Ergebnisse für Sie zusammengefasst. Wörner, LL.M. (UW-Madison), ist Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafrechtsvergleichung, Medizinstrafrecht und Rechtstheorie sowie Direktorin des Zentrums für Human | Data | Society der Universität Konstanz. 

Kernpunkte des Berichts der Arbeitsgruppe 1 der Kommission sind folgende Empfehlungen an die Gesetzgebung:

- In der frühen Schwangerschaftsphase (bis zur zwölften Schwangerschaftswoche) sollte ein Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig und straflos sein.

- In der späten Schwangerschaftsphase, ab eigenständiger Lebensfähigkeit des Fetus, sollte ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig sein. Ausnahmen sind dann vorzusehen, wenn der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft unzumutbar ist. Das ist insbesondere bei medizinischen Gründen der Fall.

- In der mittleren Schwangerschaftsphase besteht ein Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber, bis zu welchem Zeitpunkt er einen Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Frau erlaubt (Rechtmäßigkeit) und ab welchem Zeitpunkt er einen Schwangerschaftsabbruch nicht mehr erlaubt (Rechtswidrigkeit). Entscheidet der Gesetzgeber für Rechtswidrigkeit, sind auch hier Ausnahmen wie in der Spätphase vorzusehen. Die Arbeitsgruppe empfiehlt eine Verlängerung der Frist von zwölf Wochen seit der Empfängnis bei kriminologischer Indikation.

- Zur Vermeidung von ungewollten Schwangerschaften empfehlen die Experten verstärkte Aufklärungs- und Präventionsarbeit, insbesondere einen kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln auch nach dem 22. Lebensjahr.

- Beratung (mit oder ohne Wartefrist, verpflichtend oder freiwillig) muss ergebnisoffen erfolgen, darf nicht zu Verzögerungen führen und nicht dem Ziel dienen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu bewegen oder ihr bewusst zu machen, dass ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommt.

- Abbrüche gegen den Willen der Schwangeren, unsichere Abbrüche, die Nötigung zum Schwangerschaftsabbruch sowie die Nötigung, ihn zu unterlassen, sind kriminalstrafrechtlich zu regeln. Die Regelungslücke zum Schutz des ungeborenen Lebens vor Verletzungen gegen den Willen der Schwangeren ist zu schließen.


Faktenübersicht:

- Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin wurde zum 31. März 2023 gemeinsam von Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann, Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach einberufen.

- Die Kommission umfasste 18 Experten aus Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften.

- Die Kommission arbeitete zu zwei Themenbereichen:
~ Arbeitsgruppe 1: Möglichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches
~ Arbeitsgruppe 2: Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der Leihmutterschaft


Lesen Sie dazu auch:

Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin legt Abschlussbericht vor (bundesgesundheitsministerium.de)

 


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Prof. Dr. Liane Wörner, LL.M. (UW-Madison), wissenschaftliche Koordinatorin der Arbeitsgruppe 1 (Themenbereich Schwangerschaftsabbruch) der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin. Bild: Universität Konstanz, Inka Reiter

Prof. Dr. Liane Wörner, LL.M. (UW-Madison), wissenschaftliche Koordinatorin der Arbeitsgruppe 1 (Themenbereich Schwangerschaftsabbruch) der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin. Bild: Universität Konstanz, Inka Reiter